Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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süße Leim der Minne,

      Er verfängt sich so darinne,

      Daß er sich mit allem Fleiß

      Nicht hin noch her zu helfen weiß.

      So war es Riwalin ergangen,

      Also hatte sich verfangen

      In der Minne Leim sein Sinn

      Zu seiner Herzenskönigin.

      Ihn brachte die Verwirrung

      In wunderliche Irrung,

      Da er nicht wuste, ob ihr Muth

      Ihm übel wolle oder gut:

      Er erkannte weder dieß noch das,

      Ihre Minne nicht, noch ihren Haß.

      Nicht Trost noch Zweifel hielten Stand;

      Er wollte fort, und war gebannt.

      So zogen Trost und Zweifel ihn

      Ohne Ende her und hin:

      Trost sagt' ihm Minne, Zweifel Haß.

      Dieser Zwist bewirkte das:

      Er konnte mit Vertrauen,

      Auf keins von beiden bauen,

      Auf Haß noch auf Minne.

      So schwebten seine Sinne

      In einem unsichern Port.

      Trost trieb ihn her und Zweifel fort:

      Kein Verlaß war an den zwein,

      Sie stimmten niemals überein.

      Wenn Zweifel kam und er erfuhr,

      Ihn haße seine Blanscheflur,

      So wankt' er und beschloß zu gehn;

      Sogleich kam Trost und ließ ihn sehn

      Ihre Gunst und süßes Minneglück:

      Das bracht ihn wieder ihr zurück.

      So konnt er sich nicht rühren mehr,

      Er wuste weder hin noch her.

      Je stärker er entgegen rang,

      Je fester ihn die Minne zwang.

      Je heftiger er sich entwand,

      Je enger schlang die Minn ihr Band.

      So trieb es Minne mit ihm lang,

      Bis doch der Trost den Sieg errang,

      Den Zweifel endlich ganz vertrieb

      Und Riwalin gewiss verblieb,

      Seine Blanscheflur die minne ihn.

      Da war sein Herz und all sein Sinn

      Allein auf sie gerichtet

      Und aller Streit geschlichtet.

      Da nun die süße Minne

      Sein Herz und seine Sinne

      Ganz unterthänig sich gemacht,

      Da hätt er doch sich nicht gedacht,

      Daß so viel Leid und Wehe

      Aus Herzelieb entstehe.

      Als er, was ihm mit Blanscheflur

      Geschehen war und widerfuhr,

      Von Anbeginn betrachtete,

      Genau auf Alles achtete,

      Ihre Schläfe, Stirne, Lockenhaar,

      Ihren Mund, ihr Kinn, ihr Wangenpaar,

      Den freudenreichen Ostertag,

      Der lachend ihr im Auge lag,

      Da kam die rechte Minne,

      Die Befeurerin der Sinne,

      Und facht' ihr Sehnsuchtsfeuer an,

      Das Feuer, das ihm lodernd brann

      Im Herzen, und zur Stunde

      Ihm gab gewisse Kunde,

      Was für ein schmerzlich Wehe

      Aus Liebesleid entstehe.

      Denn ihm begann ein neues Leben,

      Das Leben war ihm neu gegeben:

      Er verwandelte darin

      Ganz seine Sitte, seinen Sinn,

      Und ward zumal ein andrer Mann

      Denn Alles was er jetzt begann

      War ein so wunderlich Betragen,

      Mit Blindheit schien er oft geschlagen;

      Seine angebornen Sinne,

      Die waren von der Minne

      So verwildert und verstört,

      Als hätten sie ihm nicht gehört.

      So schwächten ihn die Schmerzen:

      Lachen aus vollem Herzen

      Wie sein Brauch gewesen war,

      Das verlernt' er ganz und gar.

      Schweigen und in Sorgen schweben

      War hinfort sein bestes Leben;

      Denn all sein Sinn, all seine Kraft

      Lag in seines Kummers Haft.

      Auch verschonte Liebesschmerz

      Nicht der jungen Blanschflur liebend Herz:

      Sie war auch mit demselben Schaden

      Durch ihn, wie er durch sie, beladen.

      Die gebieterische Minne

      War auch in ihre Sinne

      Allzu stürmisch gekommen,

      Und hatt ihr mit Gewalt genommen

      Schier alle Ruh und ebnes Maß.

      Seit die Liebe sie besaß

      War gegen sich und vor der Welt

      Ihr Betragen ganz entstellt.

      Die Freuden, die sie sonst geletzt,

      Die Scherze, die sie sonst ergetzt,

      Die däuchten sie nun widerlich.

      Ihr ganzes Leben fügte sich

      Nur allein nach dem Gebot

      Ihrer bittersüßen Herzensnoth.

      Doch wieviel ihr junger Muth

      Von Sehnsucht litt und Liebesglut,

      Sie wuste doch nicht was ihr war.

      Denn jetzt zuerst ward sie gewahr,

      Was für ein schmerzlich Wehe

      Aus Herzeleid entstehe.

      Oft sprach sie zu sich selber noch:

      »O weh, mein Gott, wie leb ich doch!

      Wie und was ist mir geschehn?

      Hab ich doch manchen Mann gesehn,

      Von dem mir nie ein Leid geschah;

      Und seit ich diesen Mann ersah,

      So wird mein Herz mir nimmermehr

      So frei und fröhlich als vorher.

      Dieß Sehn, das ich an ihm gethan,

      Davon allein hab ich empfahn

      Nahegehnden Leids genug.

      Mein Herz, das niemals Schmerz ertrug,

      Das ist davon versehret;

      Es hat mir ganz verkehret

      So