Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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sprengt' er näher durch das Gras,

      Und als er ihr ins Auge sah,

      Gar minniglich begann er da:

      »Ah! Dê vous sal, la belle!«

      »Merzi«, dit la Püzelle,

      Und sprach beschämt entgegen:

      »Gott, der Heil und Segen

      In die Herzen flößt mit voller Flut,

      Der flöß euch Heil in Herz und Muth

      Und halt euch hochbegnadet,

      Meinem Recht unbeschadet,

      Das ich an euch fordern kann.« –

      »Ach Süße, was verbrach ich dann?«

      Fiel höfisch Riwalin ihr ein.

      Sie sprach: »An einem Freunde mein,

      Dem besten, den ich je gewann,

      An dem habt ihr mir Leid gethan.«

      Ach Himmel, dacht er da bei sich,

      Was will sie sagen? Was hab ich

      Begangen wider ihre Huld?

      Wes giebt mir die Holde Schuld?

      Er wähnte, daß er etwa Wen

      Der Ihren, diesen oder den,

      Unwißend, ohne Vorbedacht,

      Zu Schaden bei dem Spiel gebracht,

      Und deshalb ihm die Hehre

      Erzürnt und abhold wäre.

      Nein, der Freund, nach dem er frug,

      Das war ihr Herz, in dem sie trug

      Um seinetwillen Ungemach:

      Das war der Freund, von dem sie sprach.

      Weil er sich des nun nicht versann,

      Als ein höfischer Mann

      Sprach er inniglich zu ihr:

      »Ich will nicht, Schöne, daß ihr mir

      Haß und argen Willen tragt:

      Ist es so wie ihr mir sagt,

      So richtet selber über mich:

      Was ihr gebietet, thu ich.«

      Die Süße sprach: »Um den Verstoß

      Ist noch mein Zorn nicht allzu groß;

      Ich lieb euch auch darum nicht sehr:

      Versuchen will ich euch vorher,

      Wie ihr mir wollt zu Buße stehn

      Für das Leid, das mir von euch geschehn.«

      Da neigt' er sich und wollt hindann.

      Und sie, die Schöne, seufzt' ihn an

      Gar insgeheim, indem sie sprach

      Aus inniglichem Herzen: »Ach,

      Mein lieber Freund, Gott segne dich!«

      Da zuerst entspann es sich

      Mit Gedanken her und hin.

      Von dannen eilte Riwalin

      Vor Minnen ohne Sinne;

      Zu sinnen trieb ihn Minne

      Was Blanscheflur ihm schmolle

      Und ihm mit Grolle wolle.

      Ihren Gruß, ihr Wort erwog er nun,

      Ihr Seufzen, Segnen, all ihr Thun

      Ward in Betracht genommen.

      Schon hatt er Muth bekommen,

      Ihr Seufzen, ihren süßen Segen,

      Zu seinen Gunsten auszulegen.

      Er glaubt' es wahrlich klar zu sehn,

      Sie wären beide geschehn

      Aus anders nichts als Minne.

      Das entzündet' ihm die Sinne,

      Daß sie hinwieder fuhren

      Und nahmen Blanschefluren

      Und entführten sie sogleich

      In Riwalinens Herzensreich

      Und krönten festlich sie darin

      Ihm zu einer Königin.

      Ja, Blanscheflur und Riwalin,

      Der König, die süße Königin,

      Theilten unter sich gar gleich

      Ihrer Herzen zwiefach Königreich!

      Das ihre fiel an Riwalin;

      Der Blanscheflur ward seins verliehn,

      Doch so daß Keines sich versah

      Was mit dem andern Theil geschah.

      So hatten diese Beiden sich

      Zu gleicher Zeit einmüthiglich

      Einander in den Sinn genommen.

      Da war zu Herzen Herz gekommen:

      Sie lag auch ihm im Herzen

      Mit den gleichen Schmerzen,

      Die sie um seinetwillen trug.

      Weil er aber nicht genug

      Gewissheit mocht erlangen,

      Womit sie war befangen,

      Ob mit Haß ob mit Minne,

      So musten seine Sinne

      Im Meer des Zweifels schwanken.

      Ihm schwankten die Gedanken

      Bald hinab und bald hinan.

      Jetzt fürwahr wollt er hindann,

      Dann wollt er plötzlich wieder her;

      So hatt er sich zuletzt so sehr

      Verstrickt in seinem Sinnen,

      Er konnte nicht von hinnen.

      Der gedankenvolle Riwalin,

      Ein Beispiel ist an ihm verliehn,

      Daß der minnende Muth

      Gleich dem freien Vogel thut,

      Der frei auf manchem Zweig sich wiegt

      Und jetzt auf den geleimten fliegt.

      Wenn er nun verspürt den Leim,

      So flög er gerne wieder heim:

      Da klebt er mit den Füßen schon;

      Er regt die Schwingen, will davon

      Und rührt an keinem Ort das Reis,

      Wärs noch so linde, noch so leis,

      Der ihm nicht neue Lähmung schafft.

      So schlägt er dann aus aller Kraft

      Her und hin und hin und her,

      Bis er mit seiner Gegenwehr

      Sich selbst zuletzt besiegt und fängt

      Und fest geleimt am Zweige hängt.

      Ganz in derselben Weise thut

      Des Jünglings unbezwungner Muth:

      So der in Liebessorgen kommt

      Und Liebe Wunder an ihm frommt

      Durch süßer Schmerzen Kunde,

      So will der Schmerzlichwunde

      Zu seiner Freiheit wieder:

      Doch wieder zieht ihn nieder