Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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      Mit so kraftvoller Hand,

      Möge man nicht bald ihm wehren,

      Werd er das ganze Reich verheeren,

      So weit ers überreite.

      Alsbald entbot zum Streite

      König Mark ein mächtig Heer,

      Zog wider ihn mit starker Wehr

      Und focht bis er den Sieg gewann,

      Und erschlug und fieng so manchen Mann,

      Daß Der die Gunst des Himmels pries,

      Den er ledig oder leben ließ.

      Auch Riwalin, der werthe Held,

      Ward von einem Sper gefällt;

      In der Seite saß die Wunde.

      Die Seinen trugen ihn zur Stunde

      Als einen halbtodten Mann

      Aus dem Kampfgewühl hindann

      Gen Tintajöl mit großem Jammer,

      Da lag er todsiech in der Kammer.

      Alsbald erscholl die Märe,

      Kanelengres der wäre

      Todwund und in dem Streit erschlagen.

      Da hob sich bald ein kläglich Klagen

      So am Hofe wie im Land.

      Wem sein Werth nur war bekannt,

      Dem war sein Schade herzlich leid.

      Sie klagten seine Mannheit,

      Seinen schönen Leib und süße Jugend,

      Seine hochgelobte Fürstentugend:

      Sollten die sobald zergehn

      Und ein so frühes Ende sehn.

      Der König selber auch, Herr Mark,

      Beklagte seinen Freund so stark,

      Daß er um keinen andern Mann

      So bittern Kummer je gewann.

      Ihn weinte manches edle Weib,

      Viel Jungfraun klagten seinen Leib;

      Jedem, der ihn je gesehn,

      War an seinem Leide Leid geschehn.

      Doch so groß ihr Erbarmen

      Auch war mit dem Armen,

      So war es doch alleine

      Seine Blanscheflur die reine,

      Die höfische, die gute,

      Die aus ganzem Muthe

      Mit Augen und mit Herzen

      Des Herzgeliebten Schmerzen

      Weinte mit bitterm Jammer.

      In einsamer Kammer,

      Wo sie zu klagen Raum gewann,

      Da fiel sie sich mit Händen an

      Und schlug dahin sich tausendmal,

      Wo der Sitz war ihrer Qual:

      Der Stelle, wo das Herze lag,

      Der gab die Schöne manchen Schlag.

      So marterte das süße Weib

      Den jungen schönen süßen Leib

      In so jämmerlicher Noth:

      Sie hätte jeden andern Tod,

      Der nicht von Minne war gekommen,

      Für ihr Leben gern genommen.

      Sie wär auch wohl verdorben

      Und in dem Leid erstorben,

      Hätte sie nicht den Trost gehabt,

      Sich nicht an Einem Wunsch gelabt

      Wie es immer möcht ergehn,

      So wollte sie ihn wiedersehn,

      Und wenn sie ihn nur sähe,

      Was ihr darnach geschähe,

      Da wollte sie sich drein ergeben.

      So fristete sie sich das Leben

      Bis sie zu Sinnen wieder kam,

      Und ernstlich in Berathung nahm

      Wie sie zum Liebsten käme,

      Daß sie den Schmerz bezähme.

      Darüber kam ihr in den Sinn

      Ihre gute Meisterin,

      Die sie stäts und allewege

      Hielt in treuer Lehr und Pflege

      Und ihr immer gab Geleit.

      Die zog sie eines Tags beiseit

      (Sie waren Beide ganz allein),

      Und klagt' ihr all die herbe Pein,

      Wie sie allzeit thun und thaten,

      Die sich um Liebesnoth berathen.

      Ihre Augen überquollen,

      Die heißen Thränen rollen

      Sah man im vollen Drange

      Über die lichte Wange.

      Dabei die Hände gefalten,

      Flehend empor gehalten:

      »Ach meines Leides«, sprach die Maid;

      »Ach«, sprach sie, » welch ein Herzeleid!

      Ach, herzgeliebte Meisterin,

      Nun sei die Treue mein Gewinn,

      Die ohne Ende bei dir ist;

      Und da du selbst so selig bist,

      Daß nur Seligkeit und Heil

      Von deinem Rath mir wird zu Theil,

      So klag ich dir mein Herzeleid

      Bei aller deiner Seligkeit:

      Hilfst du mir nicht, so bin ich todt.« –

      »Nun Fräulein, was ist eure Noth

      Und euer klägliches Klagen?« –

      »Ach, Traute, darf ich dir es sagen?« –

      »Ja, liebes Fräulein, sagt mirs an.« –

      »Mich tödtet dieser todte Mann,

      Von Parmenie Riwalin;

      Gar zu gerne sah ich ihn,

      Wüst ich, wie ichs erwürbe,

      Bevor er ganz erstürbe,

      Denn leider kann er nicht gedeihn:

      Willst du dazu mir Hülfe leihn,

      So versag ich nie dir eine Gabe,

      So lang ich bin und Leben habe.«

      Da sprach bei sich die Meisterin:

      Wenn ich ihr gefällig bin,

      Welch großer Schaden ist es dann?

      Dieser halbtodte Mann

      Stirbt morgen oder heute noch:

      So hab ich meinem Fräulein doch

      Aus Noth geholfen und aus Leid;

      Hernach vertraut sie jederzeit

      Vor allen andern Frauen mir.

      »Lieb Fräulein«, hub sie an zu ihr,

      »Euer Kummer ist mir herzlich leid,

      Und wenn ich eurer Traurigkeit

      Mit