Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


Скачать книгу

Herrn«, sprach er sie an mit Sinn,

      »Ich weiß nicht, da ich fremde bin,

      Wie eines Jeden Name sei;

      Paart euch aber zwei und zwei

      Und reiht euch ganz so wie ihr wißt,

      Daß der Hirsch beschaffen ist:

      Erst jene, die die Stangen tragen,

      Dann folgen Brust und Kragen,

      Die Rippen nach den Bügen:

      So sucht es stäts zu fügen,

      Daß das folgende Glied

      Hinter seinem vordern zieht;

      Nur Eines nehmt dabei in Acht:

      Der Schluß des Zuges wird gemacht

      Von Cuire und von Furkîe;

      So wills die Jägerîe.

      Und sei euch nicht dabei zu jach:

      Reitet schön einander nach.

      Mein Meister hier und ich sein Knecht

      Reiten zusammen, dünkts euch recht;

      Sonst thut was euch gefalle.«

      »Ja, Lieber«, sprachen Alle,

      »Wie du willst, so wollen wir.«

      Er sprach: »Seis denn und leihet mir

      Ein Horn, das mir zu Maße sei,

      Und seid auch des gemahnt dabei:

      Heb ich an, so horchet mir,

      Und wie ich blase, blaset ihr.«

      Da sprach der Meister ihm zu:

      »Lieber Freund, nun blas und thu

      Wie es dir gefalle:

      Wir folgen dir Alle,

      Ich und die hier mit dir sind.«

      »A la bonne heure«, sprach das Kind,

      »Laßt es nach eurer Güte sein.«

      Ein kleines helles Hörnelein

      Gaben sie ihm in die Hand.

      »Nun hin!« sprach er, »allez avant.«

      So ritten sie rottieret ein

      Zu zweien, wie es sollte sein;

      Und als durchs Thor die Rotte kam,

      Sein helles Hörnlein Tristan nahm

      Und blies darauf so schöne,

      So liebliches Getöne,

      Daß die Gesellen alle

      Kaum erharrten bei dem Schalle

      Bis sie ihm zu Hülfe kamen

      Und auch ihre Hörner nahmen

      Und bliesen auf dem Horne

      Wie er vorblies davorne.

      Vor blies er wohl zu Preise;

      Sie nach in seiner Weise:

      Also gieng es wie es soll;

      Die Burg war des Getönes voll.

      Der König und des Hofgesindes

      Schar, als innen sie des Kindes

      Neues Jägerlied vernahmen,

      Da erschraken sie und kamen

      In Sorge von dem Schalle,

      Denn sie hatten es Alle

      Zu Hofe nie vernommen.

      Nun war die Schar gekommen

      Vor des großen Saales Thür;

      Viel Ingesindes hatt hinfür

      Gezogen all der Hörner Schall,

      Denn groß Wunder nahm sie all

      Wie es so laut ertönte.

      Nun war der ruhmgekrönte

      Marke selbst hinausgegangen,

      Der Sache Kunde zu empfangen,

      Und mit ihm mancher höfsche Mann.

      Als den König sah Tristan,

      Er begann ihm zu gefallen:

      Vor den Andern allen

      Erlas sein Herz ihn aus der Schar,

      Weil er von seinem Blute war;

      Die Natur zog ihn dahin.

      Er wandte seinen Blick auf ihn

      Und begann ihn schön zu grüßen,

      In fremdem Ton und süßen.

      Eine andre Weise hub er an

      Und blies so laut, der junge Mann,

      Daß keiner der Gesellen

      Sein Horn so mocht erschällen.

      So lange hielt die Lust nicht an,

      Der wohlgezogne Tristan

      Ließ bald sein Hörnlein schweigen.

      Zu dem König mit Verneigen

      Sprach er jetzt aus süßem Mund,

      Süß wie er es wohl verstund:

      »De us sal roi et sa mehnîe.«

      »Den König und die Messenîe

      Erhalte Gott der Gute.«

      Herr Mark der wohlgemuthe

      Und all sein Ingesinde,

      Die dankten dem Kinde

      So höfisch und also wohl

      Wie man dem Höfischen soll.

      »Ah«, sprachen sie all insgemein,

      Sie waren groß oder klein:

      »Dê duin dûße aventüre

      Si dûße creatüre.«

      »Gott gebe süße Aventüre

      So süßer Creatüre.«

      Der König nahm des Kindes wahr,

      Und zu Dem, der Jägermeister war,

      Sprach er: »Sag an, wer ist dieß Kind,

      Des Worte so erlesen sind?«

      »Ach Herr, es ist ein Parmenois

      Und ist so wundervoll curtois

      Und in aller Tugend so geschickt

      Wie ich noch nie ein Kind erblickt.

      Er sagt, er heiße Tristan,

      Sein Vater sei ein Kaufmann;

      Doch kann ich es nicht glauben:

      Wie mag die Zeit erlauben

      Dem Kaufmann, dem unmüßigen,

      Die Zeit sich abzumüßigen?

      Wo nahm er wohl die Muße her,

      Der mit Unmuße ringt so schwer?

      Ach, Herr, er ist so tugendhaft.

      Seht, diese neue Meisterschaft

      Wie wir zu Hof geritten sind,

      Die erlernten wir von diesem Kind.

      Gar wohl ersonnen ists, denn wißt

      Recht wie der Hirsch geschaffen ist,

      So ward er an den Hof gebracht.

      War je ein Brauch so wohl erdacht?