Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde


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stelle deine Warten aus,

      Wo du denkst, sie sollten stehn.«

      »Nein, Herr, so kann es nicht ergehn«,

      Sprach Tristan, der höfsche Knab:

      »Sendet eure Jäger ab,

      Daß sie die Warte besetzen

      Und die Hunde von den Seilen hetzen;

      Sie kennen jeden Weg und Schlich

      Und wißen beßer als ich,

      Wohin der Hirsch sich ziehet

      Und vor den Hunden fliehet.

      Sie kennen die Gelegenheit;

      Ich habe noch zu keiner Zeit

      Hier gejagt und bin ein fremder Knecht.«

      »Weiß Gott, Tristan, du hast Recht:

      Du kannst hierauf dich nicht verstehn.

      Die Jäger müßen selber gehn;

      Sie mögen das beßer schlichten.«

      Die Jäger giengen dieß verrichten:

      Sie koppelten die Hunde

      Und stellten in der Runde

      Ihre Warten aus zur Birsch.

      Bald hetzten sie auf einen Hirsch

      Und jagten ihn im Wettestreit

      Schier bis an die Abendzeit:

      Da erjagten ihn die Hunde.

      Nun kam zur selben Stunde

      Herr Marke und sein Freund Tristan

      Mit manchem höfischen Mann

      Herbei, ihn abzufangen.

      Die Jagdhörner klangen

      In mancherlei Getöne

      Und bliesen all so schöne,

      Daß König Marken dieses Spiel

      Und seinen Leuten wohlgefiel.

      Als der Hirsch war gefällt,

      Da wurde Tristan hingestellt,

      Des Königs heimischer Gast,

      Und gebeten, daß er sie den Bast

      Nun nach der Reihe ließe sehn.

      Tristan sprach: »Das soll geschehn«,

      Und begann nach ihrem Wunsch zu thun.

      Aber mich bedünkt es nun,

      Daß es überflüßig wäre

      Euch zweimal Eine Märe,

      Dieselbe, vorzutragen.

      Wie er beim ersten Jagen

      Den Hirsch entbästet, gleichen Brauch

      Hielt er bei dem zweiten auch.

      Den Bast und die Furkîe,

      Und die Kunst bei der Curîe,

      Als sie die sahen, in der Runde

      Gestanden sie aus Einem Munde,

      Daß Niemand diese Dinge

      Nach beßrer Art vollbringe,

      Noch ihnen beßre mög erfinden.

      Der König ließ zu Rosse binden

      Den Hirsch und wandte sich hindann,

      Er und sein Jäger Tristan.

      Und all die Messenîe

      Mit Stangen und Furkîe

      Ritten sie darauf nach Haus.

      Ein lieber Hofmann überaus

      War Tristan nun in Tintajoel.

      Gesind und König hielt ihn wohl

      Und erbot ihm gern Geselligkeit.

      Auch war er immerdar bereit

      Reich und Arm zu dienen.

      Hätt er Jeden nur von ihnen

      Auf seinen Armen mögen tragen,

      Er hätt es Keinem abgeschlagen.

      Den Segen hatt ihm Gott gegeben,

      Er konnt und wollte Allen leben:

      Lachen, Tanzen, Singen,

      Reiten, Laufen, Springen,

      Bescheiden sein und Schallen,

      Das konnt er wohl mit Allen.

      Er lebte wie man wollte

      Und wie die Jugend sollte.

      Was Einer immer begann,

      Das hob er gerne mit ihm an.

      Nun aber trug es sich zu,

      Daß Marke eines Tags der Ruh

      Nach Tisch zu pflegen sitzen blieb;

      Da ist ja immer Kurzweil lieb.

      So horcht' er nach gewohnter Weise

      Auf eines Harfenspielers Weise,

      Des besten, den man kannte,

      Und großen Meister nannte;

      Derselbe war ein Galois.

      Da kam Tristan der Parmenois

      Und setzte sich zu seinen Füßen

      Und nahm des Liedes und der süßen

      Noten wahr mit allem Fleiß;

      Und wärs ein schwerverpönt Geheiß,

      Sein Gedenken bliebe nicht verschwiegen.

      Das Herz begann ihm hoch zu fliegen

      Und mit dem Herzen flog der Muth.

      »Meister«, sprach er, »ihr harfet gut,

      Ihr wißt die Saiten anzuschlagen,

      Dem Erfinder würd es selbst behagen.

      Dieß schöne Lied hat ein Britun

      Erfunden von dem Herrn Gurun

      Und dem Fräulein seiner Minne.«

      Dieß nahm in seine Sinne

      Der Harfner, ob es Anfangs schien

      Als hätt er wenig Acht aufs ihn,

      Bis er sein Spiel geendet.

      Zu dem Kinde jetzt gewendet

      »Was weist du«, sprach er, »liebes Kind,

      Von wannen diese Noten sind?

      Verstehst du etwa dieses Spiel?«

      »Ach, Meister«, sprach Tristan, » nicht viel.

      Einst hatt ich einge Meisterschaft;

      Nun hat sie so geringe Kraft,

      Daß ich vor euch zu blöde bin.«

      »Nicht doch, nimm diese Harfe hin:

      Laß hören, welche Leiche

      Spielt man im Britenreiche.«

      »Gebietet ihr es, Meister mein,

      Und solls mit euern Hulden sein,

      Daß ich euch spiele?« sprach Tristan.

      »Ja, trauter Knabe, heb nur an.«

      Als er die Harfe nahm zur Hand,

      Wie wohl sie seinen Händen stand!

      Sie waren, las ich, schön und fein,