von dem mit blauem Teppichboden bedeckten Turnbereich trennte. »Es gibt keine anderen Optionen mehr!«
Während ich später meine Übungen beendete und die letzten paar Minuten des Trainings im Überspagat saß, begann meine Mutter, mit der Empfangsdame über das Problem zu sprechen. Als ich dazukam, hörte ich nur noch das Ende ihres Gesprächs.
»Es kann wirklich schwer sein, einen Arzt zu finden, der den Sport gut genug kennt, um hilfreich zu sein«, sagte die Rezeptionistin einfühlsam. Da ihre beiden Töchter als Turnerinnen auf einem höheren Level an Wettkämpfen teilnahmen, hatte sie viel mehr Erfahrung in diesem Bereich. Viele Mütter fragten sie um Rat, wenn sie Bedenken in Bezug auf ihre eigenen Kinder hatten. Jetzt wanderte ihr Blick zwischen meiner Mutter und mir hin und her. »Haben Sie schon darüber nachgedacht, sie mal zu Larry zu bringen?«
Meine Gedanken wanderten ins Jahr 1996 zurück. Ich hab sie, ich hab sie, … ich hab sie. Ich erinnerte mich an den Arzt, der zu Kerri Strug geeilt war, um sich nach ihrem legendären Sprung um sie zu kümmern – der Mann, der hinter der Absperrung gestanden hatte und ihr zu Hilfe geeilt war. Ich hab sie, ich hab sie, … ich hab sie. Das war Larry Nassar. Der Arzt des Olympischen Teams. Der medizinische Spitzenkoordinator für USAG. In der Welt des Turnens war Larry der Experte schlechthin. Sein Buch über Sporttherapie und Konditionstraining wurde als wegweisend erachtet. Turner, die seinen Rat nicht befolgten, taten dies auf eigene Gefahr.
Einmal hatte ich von einer Turnerin aus einem Verein in der Nähe gehört, die sich das Genick gebrochen hatte. Als sie für die Reha zu Larry ging, drückte er sein Entsetzen über ihre mangelhafte Muskelentwicklung aus und fragte: »Haben deine Trainer denn nicht mein Buch gelesen?«
Als sie ihm erzählte, dass sie das Buch wohl hätten, es aber nicht wirklich befolgten, sagte er etwas, was mich zutiefst getroffen hatte, als ich davon hörte: »Wenn deine Trainer meinem Protokoll gefolgt wären, wäre so etwas nicht passiert.« Das Leben einer Turnerin hatte sich für immer verändert durch eine katastrophale Verletzung, die vermeidbar gewesen wäre, hätte man auf Larry gehört.
»Er ist der Beste der Besten.« Die Stimme der Empfangsdame holte mich in die Realität zurück. »Er findet Dinge, die sonst niemand sieht, und kann sie mit Methoden behandeln, die sonst niemand beherrscht.«
Ich nickte. Jeder wusste das. Aber ich war nur eine Turnerin auf Level 5, wie genau sollte das funktionieren? Meine Mutter hatte die gleiche Frage.
»Behandelt er überhaupt Kinder auf diesem Level?«, fragte sie.
»Oh, Larry behandelt jeden!«, versicherte sie uns. »Er arbeitet in der Sportmedizinischen Klinik der Michigan State University, und die ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Ihr müsst nur anrufen und einen Termin vereinbaren.«
Ich zuckte mit den Achseln und warf mir meine leuchtend blaue Sporttasche über die Schulter. »Es ist einen Versuch wert, denke ich.«
Dennoch fiel es mir schwer zu glauben, dass ein Arzt von Dr. Nassars Größe wirklich Zeit für eine Turnerin in meiner Situation hatte. Außerdem war seine Praxis anderthalb Stunden von uns entfernt – hin und zurück drei Stunden Fahrt. Zudem war ich mir nicht sicher, ob das überhaupt funktionieren würde. Meine Mutter war jedoch ein wenig enthusiastischer.
»Vielen Dank!«, sagte sie nachdrücklich. »Ich werde gleich morgen anrufen.«
»Also«, sagte meine Mutter mit einer leisen Spur von Aufregung in der Stimme, »wir haben einen Termin!«
Das ging schneller, als wir beide erwartet hatten. Bei den meisten Spezialisten dauerte es sehr lange, bis man einen Termin bekam, und Larry … er war der Arzt des olympischen Teams. Wir hatten uns auf eine lange Wartezeit eingestellt, aber zu unserer großen Überraschung war mein Termin schon in wenigen Wochen. Am 2. Februar, keine zwei Monate nach meinem fünfzehnten Geburtstag.
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Gut!« Zum ersten Mal verspürte ich einen Hauch von Hoffnung.
»Ja«, stimmte meine Mutter zu. »Wir müssen jetzt nichts weiter tun als warten. Die Rezeptionistin der Klinik sagte auch, dass wir eine lockere kurze Hose für dich mitbringen sollen. Die Untersuchungen sind ziemlich gründlich, nehme ich an, und du musst dich gut bewegen können.«
Ich nickte. Das erschien mir logisch, Turnen war ein bewegungsintensiver Sport. Jetzt war es nur noch eine Frage von ein paar kurzen Wochen, bis ich endlich Hilfe bekommen würde.
Später in jener Woche liefen meine Mutter und ich um den Häuserblock, wie wir es oft taten, wenn es viel zu besprechen gab. Diesmal ging es um meine Verletzungen und was ich im weiteren Verlauf bedenken sollte.
»Es geht nicht nur darum, wann du wieder turnen kannst, weißt du«, sagte meine Mutter. »Es kann sein, dass du ganz damit aufhören musst. Was ich nicht will ist, dass du eine langfristige Verletzung davonträgst, die nicht so schlimm geworden wäre, wenn du früher aufgehört hättest.«
»Ich weiß«, stimmte ich zu, obwohl ich es nicht zugeben wollte. »Ich weiß, dass die Antwort lauten könnte, dass ich aufhören muss. Aber vorher möchte ich gern alles tun, was möglich ist, bevor ich diese Entscheidung treffe. Und du hast recht, das Wichtigste ist, wieder gesund zu werden. Ich denke, zu Larry zu gehen ist die beste Chance, die wir dafür haben.«
Meine Mutter nickte und atmete ein paarmal tief durch. »Es gibt noch eine andere Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen könnten, wenn es nötig ist«, sagte sie mit leichtem Zögern. »Ich habe mit Mrs. Harp gesprochen, sie hat gefragt, wie es dir geht. Ich erzählte ihr, wie enttäuschend unser Termin in der sportmedizinischen Klinik war, und sie hatte noch eine andere Empfehlung.«
»Welche?«, fragte ich, während ich meine Arme im Rhythmus unserer Schritte schwang.
»Na ja … du weißt ja, dass sie viele Schmerzen in ihrem Rücken und im Steißbein hatte. Sie hat mir erzählt, dass nur ein Therapeut ihr helfen konnte, der Knochen und Muskeln in diesem Bereich behandelte, aber …«
Meine Mutter hielt erneut inne und sagte dann vorsichtig: »Der Therapeut macht das, indem er von innen auf alles zugreift. Sie sagte, es wäre eine relativ neue Behandlungsmethode, aber bei ihr hätte sie wirklich Wunder gewirkt. Sie schlug vor, dass wir es auch bei ihrem Therapeuten versuchen könnten, wenn wir sonst nirgends Hilfe für dich finden.«
Ich schwieg eine Weile, während ich das Gesagte in meinem Kopf sortierte. Als wir um die Ecke zu unserem Haus bogen, sagte meine Mutter: »Noch eine Runde?«
»Ja, können wir«, antwortete ich langsam, immer noch in Gedanken versunken. »Ich glaube, ich wäre bereit, diese Therapie wenn nötig auszuprobieren, … denke ich. Keine besonders angenehme Vorstellung, aber immer noch besser als chronische Probleme, was meinst du?«
Meine Mutter nickte zustimmend. »Manchmal muss man bestimmte Dinge tun, die nicht sehr angenehm sind, aber notwendig, um gesund zu werden.« Dann erinnerte sie mich daran, dass ihre Freundin Stacy Physiotherapeutin war. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine Therapeutin in ihrer Praxis gibt, die ebenfalls diese Therapie durchführt. Und wir könnten uns jederzeit wieder dagegen entscheiden.«
Das wäre mir auf jeden Fall lieber, dachte ich. »Okay, gut zu wissen. Aber ich denke, wir fangen besser mit Larry an. Er kennt den Sport, es ist sein Fachgebiet. Ich glaube nicht, dass es einen Besseren gibt als Larry.«
Ein paar Wochen später stiegen meine Mutter, meine Geschwister und ich in unseren Minivan, um zum »Besten der Besten« zu fahren. Wie so oft musste die ganze Familie Verzicht üben, damit ich diesen Termin wahrnehmen konnte. Drei Stunden Hin- und Rückfahrt im Auto und mindestens eine weitere Stunde in der Praxis – das war eine erhebliche Störung des Alltags und der Routine aller Beteiligten. Doch für eine Chance, zu dem Arzt zu gehen, der die Olympiateilnehmerinnen behandelte, war es all das wert. Wer bekam schon eine solche Gelegenheit?
Es fühlte sich unwirklich an, die Praxis zu betreten. Ein paar andere Athleten saßen in dem kleinen Wartezimmer. Manche waren offensichtlich Turnerinnen und ich konnte allein an ihrem Körperbau und ihrer Muskelstruktur erkennen, dass sie viel besser