hielt es durchaus nicht für Zeitverschwendung, unzählige Stunden der Stickerei, augenverderbender Spitzenarbeit, wundervollem Stricken und Häkeln, und vor allem dem sorgfältigsten Strumpfausbessern zu widmen. Sie konnte einen ganzen Tag auf die Ausbesserung von zwei Löchern in einem Strumpf verwenden und dann glauben, dass ihr Beruf vortrefflich erfüllt sei, wenn sie dies zustande gebracht hatte. Eine andere Plage Carolines war es, auch diesen fremden Stil des Ausbesserns zu lernen, wo Stich vor Stich so genau gearbeitet wurde, dass man damit die Strumpfwirkerei selbst nachahmte, ein höchst beschwerliches Werk, das aber Hortense Gérard und ihre Vorfahren, bereits viele Generationen vor ihr, für eine der ›ersten weiblichen Pflichten‹ gehalten hatten. Sie selbst hatte Nadel, Garn und einen fürchterlich zerrissenen Strumpf in die Hände bekommen, als sie noch ein Kinderhäubchen auf ihrem kleinen schwarzen Köpfchen getragen hatte, ihre ›Großtaten‹ im Stopfen waren noch vor ihrem sechsten Geburtstag in die Gesellschaft ausposaunt worden, und als sie entdeckte, dass Caroline in dieser höchst wesentlichen Vollkommenheit noch gänzlich unerfahren war, hätte sie vor Mitleid über deren elendiglich vernachlässigte Jugend weinen mögen.
Sie verlor daher keine Zeit, ein hoffnungsloses Paar Strümpfe auszusuchen, an denen die Fersen gänzlich durchlaufen waren und das unwissende englische Mädchen zu deren Ausbesserung anzuhalten. Dieses Unternehmen war bereits vor zwei Jahren angefangen worden, und Caroline hatte diese Strümpfe noch in ihrem Arbeitsbeutel. Alle Tage tat sie einige Stiche, um damit ihre Sünden abzubüßen. Es war die schwerste Last für sie, und sie würde sie gern ins Feuer geworfen haben. Einmal hatte Mr. Moore, der ihr Stöhnen und Seufzen darüber bemerkt hatte, ein private Verbrennung im Kontor vorgeschlagen, Caroline hatte jedoch eingesehen, dass es unklug sein würde, ihre Zustimmung dazu zu geben, da der Erfolg davon nur ein abermaliges Paar Strümpfe, wahrscheinlich von noch schlechterer Beschaffenheit sein würde. Sie blieb daher lieber bei dem Übel, das sie schon kannte. Den ganzen Nachmittag über saßen die beiden Frauen und nähten bis beider Augen und Finger, ja selbst ihre Geisteskräfte müde wurden. Der Himmel war seit dem Mittagsessen finster geworden und es hatte wieder ziemlich stark zu regnen begonnen. Caroline begann heimlich zu fürchten, Mr. Sykes und Mr. Yorke würden Robert überreden, in Whinbury zu bleiben bis sich das Wetter aufklärte, doch nichts schien darauf hinzudeuten. Es schlug fünf Uhr, und die Zeit verstrich. Noch strömten die Wolken. Ein stöhnender Wind flüsterte in den Bäumen über dem Cottage. Der Tag schien schon zu Ende. Das Feuer im Salon warf auf den blanken Kamin einen rötlichen Strahl wie in der Dämmerung.
»Es wird nicht eher gutes Wetter geben bis der Mond aufgeht«, sagte Mademoiselle Moore »folglich bin ich überzeugt, dass mein Bruder erst dann zurückkommt. Ich würde auch in der Tat besorgt sein, wenn er es nicht täte. Wir wollen jetzt unseren Kaffee trinken, da wir doch vergebens auf ihn warten würden.«
»Ich bin müde – kann ich nun die Arbeit weglegen, Cousine?«
»Ja, ja, denn es wird zu finster, um zu sehen, ob man’s recht macht. Legen Sie sie nur zusammen, und sorgfältig in Ihren Arbeitsbeutel, dann gehen Sie in die Küche und lassen Sie Sarah das Gouter hereinbringen, oder den Tee, wie Sie es nennen.«
»Aber es hat noch nicht sechs Uhr geschlagen: Er kann ja noch kommen.«
»Ich sage Ihnen nein. Ich kann seine Wege berechnen. Ich kenne meinen Bruder.«
Aufschub ist lästig, Täuschung bitter. Das hat jedermann zu dieser oder jener Zeit empfunden. Caroline gehorchte dem Befehl und ging in die Küche. Sarah zog sich eben am Tisch an.
»Bring den Kaffee«, sagte das junge Mädchen mit niedergeschlagenem Ton und lehnte dann Arm und Kopf an den Küchenkamin, um verträumt ins Feuer zu blicken.
»Wie niedergeschlagen Sie sind, Miss! Das ist aber bloß, weil Ihre Cousine Sie so sehr anstrengt. Es ist eine Schande!«
»Nichts von der Art, Sarah«, war die kurze Entgegnung.
»Oho, das weiß ich nur zu gut! Sie könnten ja jetzt schon lieber weinen, bloß weil Sie den ganzen Tag haben still sitzen müssen. Da könnte ja eine Katze toll werden, wenn man so mit ihr umspränge!«
»Sarah, kommt dein Herr oft zeitig vom Markt nach Hause, wenn es nasses Wetter ist?«
»Eigentlich niemals, aber gerade heute hat er aus irgendeinem Grund eine Ausnahme gemacht.«
»Wie meinst du das?«
»Er ist da! Ich weiß es gewiss, denn ich sah Murgatroyd sein Pferd vom hinteren Weg her in den Hof führen, als ich vor etwa fünf Minuten Wasser an der Pumpe holte. Ich glaube, er war mit Joe Scott im Kontor.«
»Du irrst dich.«
»Warum sollte ich mich denn irren? Ich kenne doch wohl sein Pferd!«
»Aber ihn selbst hast du nicht gesehen?«
»Ich hörte ihn aber sprechen. Er sagte Joe Scott etwas darüber, dass er alle Mittel und Wege geregelt habe, sodass, ehe eine Woche vergehe, eine neue Lieferung Rahmen in der Fabrik sein werde, und dass er dann aus Stilbro’ vier Soldaten erhalten solle, um die Wagen zu bewachen.«
»Sarah, nähst du da nicht einen Rock?«
»Ja! Ist er nicht schön?«
»Wunderschön! Mach nur den Kaffee fertig. Ich will diese Schleife für dich vollends ausschneiden und dir etwas Aufputz dazu geben. Ich habe noch etwas schmales Seidenband von einer Farbe, die gut dazu passen wird.«
»Miss! Sie schneiden falsch.«
»Ach ja! Es ist aber bloß ein kleiner Schnitt! Das wird nicht schaden.«
Die Küchentür ging auf. Mr. Moore trat sehr nass und verfroren ein. Caroline wandte sich halb von ihrer Schneiderei ab, aber begann sie gleich wieder, als wolle sie für irgendein Vorhaben eine Minute Zeit gewinnen. Über die Arbeit gebeugt war ihr Gesicht verborgen. Es war ein Versuch, ihre Züge zu beherrschen und ihren Ausdruck zu verhüllen, doch er misslang. Als sie endlich Mr. Moore ansah, strahlte ihr Gesicht.
»Wir hatten Sie nun nicht mehr erwartet: Man versicherte, Sie würden nicht kommen«, sagte sie.
»Aber ich versprach ja, zeitig wiederzukommen. Sie erwarteten mich doch gewiss?«
»Nein, Robert. Ich wagte es nicht, da es so stark regnete. Aber Sie sind nass und erstarrt – wechseln Sie die Kleider. Wenn Sie sich erkälten, so müsste ich, so müssten wir uns selbst gewissermaßen die Schuld beimessen.«
»Ich bin nicht innerhalb nass. Mein Reitrock ist wasserdicht. Nur trockene Fußbekleidung brauche ich … Da, das Feuer ist angenehm, wenn man einige Meilen im kalten Wind und Regen geritten ist.«
Er stand am Küchenkamin. Caroline stand neben ihm. Mr. Moore hielt, während er die erfreuliche Wärme genoss, seine Augen gerade auf das glänzende Messing der oberen Verzierung gerichtet. Als er einen Augenblick herunterblickte, sah er in ein aufgerichtetes, gerötetes, lächelndes, glückliches, von seidenen Locken beschattetes und lieblichen Augen erleuchtetes Gesicht. Sarah war mit dem Geschirr in den Salon gegangen, wo eine Predigt ihrer Herrschaft sie zurückhielt. Moore legte seine Hand einen Augenblick auf die Schulter seiner jungen Cousine, beugte sich und drückte einen Kuss auf ihre Stirn.
»Oh!« sagte sie, als ob diese Handlung ihre Lippen entsiegelt hätte. »Ich war ganz unglücklich, als ich dachte, dass Sie nicht kommen würden. Jetzt bin ich auch sehr glücklich. Sind Sie es auch, Robert? Freut es Sie, nach Hause zu kommen?«
»Das will ich meinen, wenigstens zur Nacht.«
»Sind Sie überzeugt, dass nichts wegen Ihrer Maschinen, Ihrer Geschäfte und wegen des Krieges Sie sorgt?«
»Nein, gerade jetzt nichts.«
»Wissen Sie gewiss, dass Sie Hollow’s Cottage nicht zu klein für sich, zu eng und unansehnlich finden?«
»In diesem Augenblick? Nein.«
»Können Sie versichern, dass es Sie nicht schmerzt, dass reiche und vornehme Leute Sie vergessen?«
»Keine Fragen mehr.