»da wollen wir doch aufstehen. Lasst uns denn Dank sagen«, setzte er hinzu, tat es auch, und nun verließen alle den Tisch. Donne saß, keineswegs beschämt, noch einige Minuten allein da, während Mr. Helstone klingelte, dass das Teegeschirr abgeräumt werde. Endlich sah sich der Hilfsgeistliche doch genötigt, seine Tasse auszutrinken und die rôle aufzugeben, die, wie er glaubte, ihm eine beglückende Auszeichnung gewährt, und ihm eine so schmeichelhafte allgemeine Aufmerksamkeit zugezogen hatte.
Und nun wandte man sich nach dem natürlichen Lauf der Begebenheiten der Musik zu. Caroline, die das wohl wusste, hatte bereits das Piano geöffnet und Musikalien bereitgehalten. Dies war Mr. Sweetings Gelegenheit, sich aufzuspielen. Er war begierig anzufangen. Deshalb übernahm er das schwere Amt die jungen Damen zu überreden, die Gesellschaft mit einer Arie, einem Lied, zu beglücken. Con amore ging er die ganze Reihenfolge von Bitten, Flehen, dem Abwenden von Entschuldigungen, und dem Ebenen von Schwierigkeiten durch und gelangte endlich dahin, Miss Harriet zu überreden, sie ans Instrument führen zu dürfen. Nun wurden die Stücke für seine Flöte ausgepackt, die er stets ebenso sicher wie sein Taschentuch bei sich führte. Sie wurden durchgegangen und geordnet. Unterdessen rückten Malone und Donne näher zusammen und machten sich über ihn lustig, was der kleine Mann seitwärts blickend sah, aber ganz und gar nicht beachtete. Er war überzeugt, alle ihre Sarkasmen entstünden aus Neid, und stand im Begriff, einen Triumph über sie zu erringen.
Der Triumph begann. Malone näherte sich, sehr verdrießlich, ihn in den höchsten Noten pfeifen zu hören, und entschlossen, wenn möglich auch eine Auszeichnung zu ernten, indem er die Rolle eines verliebten Bauernburschen übernahm (welchen Charakter er bereits ein- bis zweimal versucht hatte, jedoch bis jetzt noch keinen Erfolg darin errungen hatte, den man, wie er glaubte, seinen Verdiensten zweifellos schuldig war), dem Sofa, auf welchem Miss Helstone saß, streckte seine langen irischen Gliedmaßen neben ihr aus und versuchte seine Hand (oder vielmehr Zunge) auf ein Paar seiner Redensarten, die er mit dem außerordentlichsten und unbegreiflichsten Grinsen begleitete. Im Fortgang dieser Anstrengungen sich liebenswürdig zu machen, gelang es ihm, zwei der langen Sofakissen und eines viereckigen habhaft zu werden, mit denen er, nachdem er sie eine Zeitlang mit sonderbaren Stellungen hin und her geschoben hatte, endlich eine Art Barriere zwischen sich und dem Gegenstand seiner Aufmerksamkeit errichtete. Caroline war es nicht unangenehm, dass sie auf diese Art von ihm getrennt wurde und fand bald eine Entschuldigung auf die entgegengesetzte Seite des Zimmers zu gehen und sich neben Mrs. Sykes zu setzen, von welcher guten Dame sie sich Unterricht in einer neuen Kunststrickerei erbat, eine Gunst, die ihr gern gewährt und so Peter Augustus abgewiesen wurde.
Sehr verdrießlich verzog sich sein Gesicht, als er sich selbst so verlassen, und lediglich seinen eigenen Hilfsmitteln auf einem breiten Sofa mit der Last von drei schmalen Kissen in den Händen ausgeliefert sah. Der Umstand war der, dass er sich ernsthaft geneigt fühlte, die Bekanntschaft mit Miss Helstone zu benutzen, weil er gleich den anderen dachte, ihr Onkel habe Geld und werde dieses, da er keine Kinder hatte, wahrscheinlich seiner Nichte hinterlassen. Gerard Moore war über diesen Punkt besser unterrichtet. Er hatte die hübsche Kirche gesehen, die ihren Altar des Pfarrers Eifer und Geld verdankte, und hatte mehr als einmal in seiner innersten Seele eine Laune verwünscht, die seine Wünsche kreuzte.
Einer Person im Zimmer kam der Abend sehr lang vor. Caroline ließ ihren Strickstrumpf mehr als einmal in den Schoß sinken und gab sich, die Augen schließend und mit gesenktem Kopf, einer Art von Nichtsdenken hin, das bei ihr, wie sie glaubte, durch das gehaltlose Gesumme um sie her verursacht werde, durch das unharmonische, geschmacklose Klimpern auf dem Pianoforte, das Piepsen und Kreischen der Flöte, das Gelächter und Scherzen ihres Onkels mit Hannah und Mary, von dem sie sich nicht sagen konnte, was es veranlasst habe, da sie nichts Komisches oder Scherzhaftes in ihren Reden hörte, und mehr als alles durch das endlose flüsternde Plappern der Mrs. Sykes so ganz nahe an ihrem Ohr, ein Plaudern, das sich um vier Gegenstände drehte, um ihre eigene Gesundheit und die der verschiedenen Mitglieder ihrer Familie, um die Juden- und Missionar-Körbe und ihren Inhalt, um die letzte Versammlung in Nunnely und um eine, die nächste Woche in Whinbury gehalten werden sollte.
Endlich bis zur Erschöpfung ermüdet ergriff sie die Gelegenheit, als Mr. Sweeting zu Mrs. Sykes kam, um mit dieser zu sprechen und entwischte ganz aus dem Zimmer, um einen Augenblick Erholung in der Einsamkeit zu suchen. Sie eilte ins Speisezimmer, wo noch ein helles, jetzt aber schwaches Feuer im Kamin brannte. Das Zimmer war leer und ruhig, Gläser und Flaschen waren vom Tisch weggenommen, die Stühle wieder an ihre Stellen gerückt und alles in Ordnung gebracht worden. Caroline sank in ihres Onkels großen Lehnstuhl, schloss die Augen halb und blieb so sich selbst dahingegeben, auf nichts hörend, und ins Blaue hinein blickend. Ihr Geist aber floh geradezu nach Hollow’s Cottage. Er stand dort auf der Schwelle des Salons, ging dann zum Kontor, und spürte, welche Stelle durch Roberts Gegenwart beglückt sei. Es traf sich, dass gerade keiner dieser Orte diese Ehre hatte, denn Robert war eine halbe Meile davon entfernt und Caroline viel näher als ihr ermatteter Geist wähnte. Er ging in diesem Augenblick über den Kirchhof und näherte sich der Gartentür der Pfarrei, doch beabsichtigte er nicht seine Cousine zu sehen, sondern bloß dem Pfarrer eine kurze Nachricht mitzuteilen.
Ja, Caroline, du hörst die Glocke an der Tür läuten, zum fünften Mal schon an diesem Nachmittag, du zuckst zusammen und bist gewiss, dass dies der sein müsse, von dem du träumst. Warum du so gewiss bist, kannst du dir selbst nicht erklären, aber du weißt es, du lehnst dich vor und horchst ängstlich, als Fanny die Tür öffnet. Richtig! Das ist die Stimme – leise – mit dem fremden Akzent, aber so sanft wie du dir sie denkst. Du stehst halb auf: Fanny wird ihm sagen, dass Mr. Helstone Gesellschaft hat und dann wird er wieder gehen. Oh! Sie darf ihn nicht gehen lassen! Gegen ihren eigenen Willen – gegen ihre Entschlüsse geht sie halb durch das Zimmer, steht sie bereit hinauszueilen, falls die Schritte zurückweichen. Aber er tritt in den Eingang: »Da Ihr Herr Besuch hat«, sagt er, »führen Sie mich in das Speisezimmer und bringen Sie mir Tinte und Feder dahin. Ich will ihm nur ein kurzes Briefchen schreiben und es für ihn zurücklassen.«
Als Caroline diese Worte vernommen und gehört hatte, wie er näher kam, würde sie, wenn eine zweite Tür im Speisezimmer gewesen wäre, durch diese entkommen und verschwunden sein. Sie fühlte sich gefesselt, gefangen. Sie fürchtete, ihre unerwartete Gegenwart könnte ihn stören. Vor einer Minute würde sie zu ihm geflogen sein, diese Minute war vorüber, und nun wollte sie vor ihm fliehen. Aber sie konnte nicht. Es gab zum Entfliehen keinen Weg. Das Speisezimmer hat nur eine Tür, durch die jetzt der Cousin eintritt. Der Blick störender Überraschung, den sie auf seinem Gesicht zu sehen erwartete, hat sich darauf gezeigt, hat sie betroffen, und ist vorüber. Sie hat eine Art von Entschuldigung gestammelt: –
»Ich verließ den Salon nur für eine Minute, um Ruhe zu suchen.«
Es lag etwas so zaghaftes und niedergeschlagenes in Miene und Ton, mit dem dies gesagt wurde, dass man leicht bemerken konnte, es sei erst vor Kurzem eine betrübliche Veränderung in ihren Erwartungen vorgegangen und sie habe die Kraft freundlicher Selbstbeherrschung verloren. Mr. Moore erinnerte sich zweifellos daran, wie sie ihn zuvor gewöhnlich mit sanfter Wärme und hoffnungsvollem Vertrauen begrüßt hatte, und so zeigte sich ihm hier eine Gelegenheit, sein neues Verhalten, wenn er es verbessern wollte, mit Erfolg anzubringen. Vielleicht aber hielt er es für leichter, dieses Verhalten bei hellem Tag in seinem Fabrikgehöft, unter geräuschvollen Beschäftigungen, als in einem ruhigen Salon, unbeschäftigt und in der Abenddämmerung anzubringen. Fanny putzte die Lampen, die zuvor ungeputzt auf dem Tisch gestanden hatten, brachte Schreibgerät und verließ das Zimmer. Caroline stand im Begriff, ihr zu folgen. Moore hätte, wenn er konsequent bleiben wollte, sie gehen lassen sollen, aber er blieb in der Tür stehen, streckte die Hand aus und hielt sie sanft zurück. Er bat sie nicht, zu bleiben, aber er wollte sie nicht gehen lassen.
»Soll ich meinem Onkel sagen, dass Sie hier sind?« fragte sie noch mit derselben bedrückten Stimme.
»Nein, ich kann Ihnen alles sagen, was ich ihm zu sagen hatte. Wollen Sie mein Bote sein?«
»Ja, Robert.«
»Dann melden Sie ihm, dass ich soeben einen Hinweis, wenigstens über einen der Männer, erhalten habe, die meine Maschinen zerstörten, und dass er zu derselben Bande gehört, die Sykes und Pearsons Kleiderlager