einem noch betrübteren Ton als zuvor gesprochen, und als sie es tat, schüttelte sie ein wenig den Kopf und seufzte: »Werden Sie ihn vor Gericht bringen?«
»Versteht sich.«
»Oh nein, Robert!«
»Und weshalb nicht, Caroline?«
»Weil dies die ganze Nachbarschaft mehr als je gegen Sie aufbringen würde.«
»Das ist kein Grund, weshalb ich nicht meine Pflicht tun und mein Eigentum verteidigen sollte. Dieser Bursche ist ein großer Bösewicht und muss daran gehindert werden, weiteres Unheil anzustiften.«
»Seine Mitgenossen werden sich aber an Ihnen rächen. Sie wissen gar nicht, wie boshaft das Volk in dieser Gegend ist. Einige davon rühmen sich, dass sie einen Stein sieben Jahre in ihrer Tasche tragen, ihn nach dieser Zeit umdrehen und dann wieder sieben Jahre bei sich behalten, und ihn endlich doch schleudern und ihr Ziel treffen können.«
Moore lachte.
»Eine erbärmliche Prahlerei«, sagte er, »die man sich ringsum zum Lob ihrer teuren Yorkshirer Freunde erzählt. Aber fürchten Sie nicht für mich, Lina. Ich bin auf der Hut gegen diese Ihre lammfrommen Landsleute. Haben Sie meinetwegen keine Sorge!«
»Kann ich denn anders? Sie sind mein Cousin. Wenn etwas vorfiele –« hier stockte sie.
»Nichts wird vorfallen, Lina. Es gibt, wie Sie ja selbst sagen, eine Vorsehung über alle – ist es nicht so?«
»Ja, lieber Robert! Möge diese Sie beschützen!«
»Und wenn Gebete etwas vermögen, so werden es die ihren tun. Nicht wahr, Sie beten manchmal für mich?«
»Nicht manchmal, Robert. Für Sie, Louis und Hortense bete ich immer.«
»Das habe ich mir auch gedacht. Es fiel mir ein, wenn ich mich müde und geplagt zu Bett legte wie ein Heide, dass ein anderer für mich um Vergebung für diesen Tag und um Ruhe für die Nacht gebetet hätte. Ich kann mir nicht denken, dass eine solche vikariierende Frömmigkeit anderswo viel helfen könne, aber die Gebete kommen hier aus einem frommen Herzen, von unschuldigen Lippen, sie müssen ebenso wohlgefällig sein, wie Abels Opfer, und würden es auch gewiss sein, wenn der Gegenstand es verdiente.«
»Verbannen Sie diesen Zweifel. Er ist ohne Grund.«
»Wenn ein Mann dazu erzogen worden ist, nur Geld zu erwerben, und lebt, um dies zu tun, und für nichts weiter, und selten eine andere Luft atmet als die von Fabriken und Märkten, scheint es unpassend, seinen Namen in einem Gebet zu nennen, oder seine Idee mit etwas Göttlichem zu vermischen, dann scheint es ganz sonderbar, dass ein gutes, reines Herz ihn aufnehmen und beherbergen sollte, als ob er irgendeinen Anspruch auf eine solche Art von Nest hätte. Könnte ich dieses wohlwollende Herz lenken, so glaube ich, ich würde ihm raten, jemand auszuschließen, der nicht bekennt, dass er nach etwas Höherem im Leben strebt, als sein zerrüttetes Vermögen wiederherzustellen und von seinem bürgerlichen Schild den faulen Fleck des Bankrotts zu waschen.«
Obgleich dieser Wink herzlich und bescheiden (wie Caroline dachte) gegeben wurde, fühlte man ihn doch lebhaft und begriff ihn klar.
»Ich denke allerdings nur, will vielmehr nur an Sie als meinen Cousin denken«, war die schnelle Antwort. »Ich fange an, die Sachen besser zu verstehen als zuvor, Robert, als Sie zuerst nach England kamen, besser als noch vor einer Woche – noch vor einem Tag. Ich begreife, dass es Ihre Pflicht ist, danach zu streben vorwärts zu kommen, und dass es nichts für Sie wäre, romantisch zu sein, aber Sie müssen mich auch künftig nicht missverstehen, wenn ich freundlich gegen Sie bin. Sie missverstanden mich diesen Morgen, nicht wahr?«
»Was lässt Sie dies glauben?«
»Ihr Blick – Ihr Benehmen.«
»Sehen Sie mich doch jetzt an!«
»Oh, jetzt sind Sie ganz anders. Jetzt kann ich es wagen, mit Ihnen zu sprechen.«
»Und doch bin ich derselbe, ausgenommen, dass ich den Handelsmann in Hollow’s Mill zurückgelassen habe. Jetzt steht nur Ihr Verwandter vor Ihnen.«
»Mein Cousin Robert, nicht Mr. Moore.«
»Kein Stückchen von Mr. Moore. Caroline –«
Hier hörte man, wie die Gesellschaft im anderen Zimmer aufstand. Man öffnete die Tür. Das Pony-Fuhrwerk wurde bestellt. Nach Umhängen und Hüten gesucht. Mr. Helstone rief nach seiner Nichte.
»Ich muss nun fort, Robert.«
»Ja, das müssen Sie, oder jene kommen sonst hierher und finden mich hier, und ich will lieber, als diesem ganzen Schwarm unterwegs zu begegnen, meinen Abschied durch das Fenster nehmen. Glücklicherweise öffnet es sich wie eine Tür. Noch eine Minute bloß – stellen Sie das Licht weg – gute Nacht! – Ich küsse Sie, weil wir Verwandte sind, und da wir es sind, sind auch – ein – zwei – drei Küsse erlaubt. Caroline, gute Nacht!«
VIII – Noah und Moses
Am folgenden Tag war Moore vor der Sonne aufgestanden und nach Whinbury und wieder zurückgeritten, ehe seine Schwester den café au lait bereitet oder die tartines zum Frühstück geschnitten hatte. Was er dort getrieben hatte, behielt er für sich. Hortense fragte nicht. Es war nicht ihre Gewohnheit, ihn nach seinem Tun zu befragen, noch die seine, darüber Rechenschaft abzulegen. Geschäftsgeheimnisse – verwickelte und oft düstere Mysterien – blieben in seiner Brust begraben und kamen nie aus dieser Gruft, außer dann und wann, um Joe Scott daran teilnehmen zu lassen und einem fremden Korrespondenten einen Hinweis zu geben. In der Tat schien eine allgemeine Gewöhnung an Zurückhaltung in jeder wichtigen Sache in seinem kaufmännischen Blut zu liegen.
Als das Frühstück vorbei war, ging er ins Kontor. Henry, Joe Scotts Sohn, brachte ihm Briefe und Zeitungen. Moore setzte sich an sein Pult, erbrach die Siegel der Briefe und überflog sie. Sie waren alle kurz, wenig freundlich, vielmehr im Gegenteil verdrießlich, denn als Moore den letzten weglegte, zeigte sich an seinen Nasenflügeln ein verhöhnendes und misstrauisches Zucken, und obwohl er nichts sagte, lag doch in seinen Augen eine Glut, die den Teufel anzurufen schien und ihm auferlegte, die ganze Geschichte zur Hölle zu schaffen. Nachdem er jedoch eine Feder genommen und in einem kurzen Anfall von Fingerwut die Fahne davon abgerissen hatte – bloß in Fingerwut, denn sein Gesicht blieb ruhig – schrieb er eine Reihe Antworten, versiegelte sie, stand dann auf und ging durch die Fabrik. Als er zurückkam, setzte er sich wieder, um die Zeitungen zu lesen.
Ihr Inhalt schien nicht außerordentlich interessant zu sein. Er legte sie mehr als einmal übers Knie, kreuzte die Arme und starrte ins Feuer. Zufällig wandte er das Gesicht zum Fenster. Manchmal sah er auch nach der Uhr, kurz, sein Geist schien abwesend. Vielleicht dachte er an die Schönheit des Wetters, denn es war ein schöner und milder Morgen für diese Jahreszeit, und er wünschte ihn in den Feldern zu genießen. Die Tür des Kontors stand weit offen, Luft und Sonnenschein drangen ungehindert ein, aber der erste Besuch brachte keinen Wohlgeruch auf seinen Schwingen, sondern bloß gelegentlich einen Schwefelgeruch von der rußerfüllten Rauchsäule, die grau aus dem Fabrikschornstein emporstieg.
Eine dunkelblaue Erscheinung (die von Joe Scott, der eben vom Farbkessel kam) trat für einen Augenblick an die offene Tür, stieß die Worte: »Er ist da, Sir!« heraus und verschwand.
Mr. Moore wandte die Augen nicht von den Papieren.
Ein großer, breitschultriger, grobschlächtiger Mann, in Barchenthemd und grauwollenen Strümpfen trat ein, wurde mit einem Nicken empfangen und veranlasst, sich zu setzen, was er denn auch tat, nachdem er seinen sehr schlechten Hut abgenommen, unter einen Stuhl gelegt und sich die Stirn mit einem geflickten baumwollenen Taschentuch, das er aus dem Hutkopf gezogen hatte, abgewischt hatte, und die Bemerkung machte, »dass es für Februar recht warmes Wetter sei.«
Mr. Moore bejahte das, wenigstens gab er eine Art Ton von sich, der, wenn auch unartikuliert, doch für eine Zustimmung gehalten werden konnte. Nun stellte der Besucher einen offiziell aussehenden Stab, den er in der Hand hatte,