er gewesen?
Am nächsten Morgen saß Leonard schon am Frühstückstisch, als Josie pünktlich um acht in den Speiseraum kam. Er sah wie immer gut aus. Geduscht, rasiert, gestylt, gut duftend in Hemd und Anzug saß er da, frühstückte und las auf seinem Tablett.
„Guten Morgen“, sagte sie freundlich.
Ihre Blicke trafen sich. „Morgen“, meinte er nur.
Josie musterte ihn kritisch als sie sich ihm gegenüber setzte. Er schien das zu bemerken und erwiderte ihren Blick. „Alles ok? Haben sie gut geschlafen Josephine?“
Sie fand diese siezen so bescheuert. Warum duzte er sie nicht einfach? Immerhin war sie gerade mal ein paar Jahre jünger als er.
„Ja. Ich habe gut geschlafen. Und Sie? Sie sind gestern Abend nochmal weg gegangen?“ fragte sie lächelnd.
Wieder trafen sich ihre Blicke. Eiskalte strahlend blaue Augen sahen sie neugierig an. Dann lächelte er. „Ich habe noch etwas frische Luft geschnappt und Zigaretten geholt.“
Dass das nicht ganz die Wahrheit war, wussten beide ziemlich genau.
„Bis nachts um eins?“ bemerkte Josie skeptisch.
Sein Blick blieb starr auf sie gerichtet und sein Gesicht wurde ernst. „Josephine, ich weiß das mein Vater sie als Spitzel mitgeschickt hat. Wenn sie es für nötig halten, können sie das auch gerne so weiter geben. Scheint ja ihr Job zu sein. Aber geben sie nur das weiter, was sie auch hundertprozentig wissen und nicht, was sie denken oder vermuten. Ich muss mich ständig für irgendwelche dämlichen Dinge rechtfertigen, die ich angeblich irgendwo, irgendwie getan habe. Es nervt einfach nur.“
„Ich habe nicht vor, irgendwas weiter zu geben. Warum sollte ich das tun?“ entgegnete Josie überraschend cool.
„Weil mein Vater sie damit beauftragt hat. Sonst wären sie nicht hier. Er misstraut mir in jeglicher Weise und wartet nur darauf, dass sie ihm bestätigen, wie Recht er damit hat. Nur den Gefallen werde ich ihm bestimmt nicht tun. Sie haben mich gesehen, dass ich das Hotel verlassen habe, mehr nicht“, sagte Leonard leicht gereizt.
„Er wird fragen, wo sie noch waren?“ überlegte Josie laut.
Leonard nickte. „Natürlich wird er das. Und egal, was ich auch sagen würde, er würde es mir nicht glauben. Daher wird ihm diese kleine Info schon reichen, um mal wieder ein gewaltiges Fass aufzumachen. Wieso und weshalb auch immer.“
Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte. „Im Grunde habe ich auch gar nichts gesehen.“
Strahlendes blau traf sie. „Ihre Entscheidung, Josephine. Ich habe mich meinem Schicksal schon sehr lange ergeben.“ Etwas Trauriges lag nun in seinem Blick und seiner Stimme.
Den Rest des Frühstücks verbrachten sie schweigend. Der Fahrdienst holte sie ab und um neun Uhr begann pünktlich das Meeting. Das zog sich auch über den ganzen Tag und war erst nachmittags gegen vier zu Ende. Nicht nur Josie fand es sehr anstrengend, da nur englisch geredet wurde, auch Leonard schien echt geschafft zu sein.
Sie fuhren zurück zum Hotel, um sich frisch zu machen, bevor ihr Rückflug abends um sieben Uhr ging.
Anschließend checkten sie im Hotel aus und der Fahrdienst brachte sie zurück zum Flughafen. Leonard redete kaum und war ziemlich müde und erschöpft. Am Flughafen aßen sie noch etwas und warteten auf den Rückflug.
Josie war es unangenehm das Leonard ihr Baguette und den Latte Macchiato mit bezahlte und erklärte das bei Geschäftsreisen alles auf Firmenkosten lief. Davon ließ er sich auch nicht abbringen. Wenn sie schon mit musste, dann sollte sie nicht auch noch irgendetwas bezahlen müssen.
Viele Fragen schwirrten in ihrem Kopf herum, doch sie traute sich nicht, diese Leonard zu stellen.
Er telefonierte zwischendurch mit irgendwem über geschäftliche Dinge. Allerdings klang es sehr vertraut und angenehm. Sein Vater konnte es daher nicht sein.
Am nächsten Tag schien Ferdinand schon Josies Bericht zu erwarten und er zitierte sie direkt in sein Büro. Doch sie konnte nichts Besonderes sagen. Alles war wie geplant verlaufen. Es gab keinerlei besondere Vorkommnisse, was Ferdinand zwar überrascht aber sehr zufrieden aufnahm.
Josie verstand die scheinbaren Bedenken von Ferdinand von Wartenberg nicht. Leonard machte seinen Job. Zuverlässig, professionell und so, wie es erwartet wurde. Es war nicht mal so, dass er beim Abendessen großartig Alkohol getrunken hatte. Er hatte zwar etwas getrunken aber nicht mal so viel, dass man den Anschein hatte, dass er betrunken war. Selbst da war er sehr diszipliniert.
Josie verstand diese ganz Skepsis von Ferdinand von Wartenberg seinem Sohn gegenüber nicht. Aber irgendetwas schien ja zu sein, dass er so misstrauisch war.
Manchmal bat er Josie dann kurz raus zu gehen und sie konnte draußen hören, wie er Leonard eine Standpauke hielt was seine Pflichten und Aufgaben innerhalb der Firma betraf.
Nur wenige Tage später bekam Josie eine leichte Ahnung, warum das so war. Sie stand vorne bei Margret am Empfang, als sie Leonard eher zufällig beobachtet, wie er kreidebleich aus der Toilette kam, schwankte und sich gegen die Flurwand lehnen musste. Es schien ihm wirklich nicht gut zu gehen, er sah echt fertig und blass aus. Die Augen hatte er geschlossen und er atmete ein paar Mal tief durch, bis er sich zusammen raufen konnte und langsam in seinem Büro verschwand.
Als sie das Büro betrat saß er an seinem Schreibtisch und hatte den Kopf in den Händen vergraben.
„Alles ok?“ fragte Josie vorsichtig als sie sich an ihren Platz setzte.
Leonard sah sie nicht mal an. Sie hörte nur seine schnelle starke Atmung.
Unsicher stand Josie auf und ging zu seinem Schreibtisch heran. „Leonard? Ist alles ok?“ fragte sie nun besorgt.
Keine Reaktion.
Sie ging noch einen Schritt näher heran. „Soll ich ein Glas Wasser oder so holen?“
„Nein danke…“, murmelte er nur leise. Denn hob er wieder den Kopf und sah sie kurz an während seine Finger seine Haare wieder glatt strichen. „…alles ok. Vielen Dank. Mein Kreislauf ist heute nicht so… liegt bestimmt am Wetter.“
Josie blieb wie angewurzelt stehen und sah ihn kritisch an. „Kann ich wirklich nichts…?“
„Nein, Josephine. Es geht mir gut, ok“, meinte er dann etwas schroff.
Sie merkte sofort, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte und nahm wieder schnell an ihrem Schreibtisch Platz.
Die nächste Stunde verbrachten beide schweigend, wobei sie sich nicht sicher war, ob er wirklich etwas las oder nur einfach so in den Ordner vor sich starrte.
Dann klingelte sein Telefon und es dauerte eine ganze Weile bis er das überhaupt registriert hatte und abnahm. Was dann kam, war sehr fragwürdig, denn Leonard war nicht in der Lage, auch nur einen vernünftigen zusammenhängenden Satz zu sprechen. Er stammelte, stotterte und brachte dabei nichts Gescheites heraus. Scheinbar wusste er nicht mal, was er redete, mit wem oder worüber. Er war völlig verpeilt und planlos. So langsam wurde es unangenehm für Leonard, denn sein Gesprächspartner schien ebenfalls etwas irritiert zu sein.
Josie hörte sich das exakte drei Minuten an, bevor sie aufstand und dem völlig irritierten Leonard das Telefon aus der Hand nahm.
„Josephine Wagner, Guten Tag. Bitte entschuldigen sie die Unterbrechung. Wir haben durch den Umbau im Büro derzeit technische Störungen in der Telefonleitung. Daher kommt bei uns und vermutlich auch bei Ihnen nicht alles richtig an. Aber die Techniker werden heute Nachmittag fertig und es wäre super, wenn sie morgen früh nochmal anrufen. Dann dürfte alles reibungslos klappen. Vielen Dank und auf Wiederhören“, sagte Josie schnell ins Telefon. Herr Fernbach am anderen Ende war erst etwas irritiert aber dann verständnisvoll und wollte morgen nochmal anrufen.
Josie legte auf und behielt das Telefon in ihrer Hand. Fragend sah sie Leonard an, der sein Gesicht wieder in den Händen auf dem Schreibtisch vergraben hatte.
„Sie sollten nicht ans Telefon gehen, wenn sie